Weg­wei­ser für psy­chi­sche Ge­sund­heit im Kan­ton Bern
Weg­wei­ser für psy­chi­sche Ge­sund­heit im Kan­ton Bern
Für An­ge­hö­ri­ge

So sor­gen Sie gut für
Be­trof­fe­ne und für sich selbst

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Hat ein Mensch in Ihrem Umfeld psychische Probleme oder eine psychische Erkrankung? Das kann auch Sie stark belasten. Hier erfahren Sie, wie Angehörige und Nahestehende betroffene Menschen unterstützen und auch gut für sich selbst sorgen können.

Psy­chi­sche Pro­ble­me be­las­ten auch An­ge­hö­ri­ge

Wenn ein nahestehender Mensch psychisch erkrankt, ist dies auch für Angehörige,  Freund:innen und Familie eine schwierige Situation:

  • Vielleicht denken Sie, dass Sie jetzt für den erkrankten Menschen besonders stark sein müssen.
  • Vielleicht sorgen Sie sich so sehr, dass Sie selbst nicht mehr gut schlafen können und voller Unruhe sind.
  • Vielleicht haben Sie Schuldgefühle und denken, Sie sind mitverantwortlich.
  • Vielleicht schämen Sie sich und verheimlichen die Erkrankung vor anderen Menschen.
  • Vielleicht sind Sie so erschöpft, dass Sie keine Freund:innen mehr treffen mögen.

Die psychische Erkrankung eines nahen Menschen kann Angehörige verunsichern und ihnen Angst machen. Viele möchten helfen, wissen aber nicht wie. Dies kann zu Übereifer, Überforderung oder Ohnmacht führen.

Hilfe und Beratung für Angehörige und Nahestehende

Die Vereinigung von Angehörigen psychisch Kranker Bern (VASK) und die Bewegung Stand by You Schweiz stehen Angehörigen von Menschen mit einer psychischen Erkrankung zur Seite. Auch viele psychiatrische Kliniken führen eigene Beratungsstellen für Angehörige.

So können Angehörige gut für sich sorgen

Angehörige verausgaben sich oft und vergessen, dass auch ihre eigenen Bedürfnisse zählen. Für sie ist es wichtig zu verstehen: Nur wenn sie gut für sich selbst sorgen und gesund bleiben, können sie für Menschen mit einer psychischen Erkrankung eine Stütze sein. So sorgen Sie gut für Ihre eigene psychische Gesundheit:

  • Eigene Grenzen erkennen und setzen
    Es ist wichtig, sich selbst nicht zu überfordern und auch mal bewusst „Nein“ zu sagen.
  • Selbstfürsorge pflegen
    Regelmässige Pausen, Entspannung und Erholung, gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf und Bewegung sind essenziell.
  • Eigene Bedürfnisse ernst nehmen
    Erlauben Sie sich, Wünsche, Bedürfnisse und negative Gefühle zu haben, und ordnen Sie diese nicht ständig unter.
  • Unterstützung suchen
    Selbsthilfegruppen oder gute Gespräche mit Freund:innen können Sie entlasten. Ist Ihr Leidensdruck sehr gross, helfen Ihnen spezialisierte Fachpersonen weiter.
  • Verantwortung aufteilen
    Überlegen Sie, welchen anderen Angehörigen, Freund:innen oder professionellen Hilfsanbieter:innen Sie bestimmte Aufgaben übergeben können.
  • Sich Wissen aneignen
    Erfahren Sie mehr über die Erkrankung Ihrer nahestehenden Person. Wissen kann helfen, besser damit umzugehen.
  • Freiräume und soziale Beziehungen pflegen
    Vernachlässigen Sie Ihre Hobbys nicht komplett und versuchen Sie, weiterhin stärkende soziale Kontakte zu pflegen.

Ich möch­te her­aus­fin­den: Braucht ein Mensch Hilfe?

Vielleicht vermuten Sie, dass eine nahe Person in einer psychischen Krise steckt oder psychisch krank wird. Sie sind sich jedoch nicht sicher. Woran können Sie erkennen, ob jemand wirklich Hilfe braucht? 

Unser Fragebogen für Angehörige kann Ihnen wichtige Hinweise liefern. Lesen Sie ihn in Ruhe durch und beantworten Sie die Fragen. Haben Sie mehrere Fragen mit «Ja» beantwortet? Dann kann das ein Warnsignal sein. Am besten sprechen Sie dann die betroffene Person auf Ihre Beobachtung an und holen bei Bedarf Hilfe. 

Fra­ge­bo­gen für An­ge­hö­ri­ge und Na­he­ste­hen­de

  • Hat die Person in letzter Zeit oft heftige Gefühle? Zum Beispiel: Ist sie manchmal sehr traurig oder sehr fröhlich? Oder ist sie manchmal sehr nervös, sehr ängstlich oder wird sie schnell wütend? 
           
  • Wechseln die Gefühle der Person sehr schnell? Zum Beispiel: Sie ist sehr guter Laune, und kurze Zeit später wird sie sehr traurig?  
        
  • Schläft die Person schlecht und wenig? Und mag sie morgens nicht mehr aufstehen? 

  • Isst die Person in letzter Zeit weniger?    
        
  • Wie ist es in der Schule, im Studium, in der Ausbildung oder im Beruf: Hat die Person weniger Lust zum Arbeiten oder Lernen? Kann die Person nicht mehr so gut arbeiten? Sind die Noten schlechter geworden?    

  • Trifft die Person kaum noch Freunde oder Familie? Hat die Person weniger Kontakt mit anderen Menschen?  
         
  • Sind die Gedanken der Person oft verwirrt?    
       
  • Vertraut die Person anderen Menschen nicht mehr?    
        
  • Hat die Person merkwürdige Ideen, die Sie nicht verstehen?   
         
  • Bezieht die Person alles auf sich? Fühlt sich die Person oft angegriffen? Hat die Person das Gefühl, dass andere Menschen über sie reden oder lachen? 
           
  • Redet die Person schlecht über sich selbst? Haben Sie den Eindruck, dass die Person zu viel Alkohol trinkt oder Drogen nimmt?

Haben Sie mehrere Fragen mit «Ja» beantwortet? Dann kann das ein Warnsignal sein. Am besten sprechen Sie dann mit der Person offen darüber und holen bei Bedarf Hilfe.

Eine nahe Per­son hat Pro­ble­me. Wie spre­che ich sie dar­auf an?

  • Achten Sie auf Warnsignale. Nehmen Sie Ihre Gefühle ernst.
    Sie merken, dass es einer nahen Person nicht gut geht? Dann ist dies ein wichtiges Zeichen. Gehen Sie nicht einfach darüber hinweg. Sprechen Sie die Person behutsam darauf an.
  • Reden Sie darüber. Und hören Sie offen zu.
    Fragen Sie die Person, wie es ihr geht. Erzählen Sie ihr, was Ihnen aufgefallen ist. Sagen Sie ihr, weshalb Sie besorgt sind. Hören Sie ihr offen und aufmerksam zu. Versuchen Sie nachzuempfinden, was die andere Person fühlt. Sie müssen für sie keine Lösungen finden. Es reicht, wenn sie Anteil nehmen. Schon das allein tut der anderen Person gut.

  • Bieten Sie Hilfe an. Machen Sie Mut.
    Warten Sie nicht, bis eine Person um Hilfe bittet. Bieten Sie selbst Unterstützung an. Sagen Sie der Person, dass es auch professionelle Hilfe gibt. Das kann Hoffnung und Zuversicht schenken. Sie können die Person über Hilfsangebote informieren. Sie können sie auch ermutigen, einen Arzttermin zu organisieren. Oder Sie können ihr helfen, ein anderes Angebot zu finden.
Eine nahe Per­son will meine Hilfe nicht – was kann ich tun?

Vielleicht geht es jemandem schlecht. Sie möchten der Person helfen. Aber die Person will Ihre Hilfe nicht. Das kann passieren. Die Person darf selbst entscheiden, ob sie Hilfe will. Aber Sie können trotzdem etwas tun: Sie können Hilfe für sich selbst suchen. Sie können zum Beispiel mit Freund:innen reden oder zu einer Beratungsstelle gehen.

Die Person bringt sich selbst oder andere Menschen in sehr grosse Gefahr? Sie haben alles versucht und es gibt keine andere Möglichkeit? Dann muss die Person vielleicht gegen ihren Willen in die psychiatrische Klinik. Das nennt man «Fürsorgerische Unterbringung FU». Ein Arzt oder eine Ärztin muss die Fürsorgerische Unterbringung verordnen.

Die meisten Menschen, die an Suizid denken, tönen dies vorher an oder geben entsprechende Hinweise. Folgende Warnsignale sollten Sie ernst nehmen. Die Auflistung ist nicht abschliessend:

Die Person

  • sagt, dass sie nicht mehr leben will. 
  • beschäftigt sich intensiv mit dem Thema Sterben und Tod.
  • verschenkt Dinge, macht ein Testament oder nimmt Abschied. 
  • zieht sich zurück von Freund:innen, Familie und Hobbies
  • hat starke Stimmungsschwankungen, zeigt grosse Hoffnungslosigkeit und verändert ihre Persönlichkeit deutlich.
  • fühlt sich wert- oder nutzlos und hat grosse Schuld- oder Schamgefühle. 
  • verhält sich risikoreich, selbstzerstörerisch oder leichtfertig.
  • vernachlässigt ihren Körper. Das Essverhalten und Schlafmuster verändern sich deutlich.
  • wird nach einer Phase grossen Leidens ganz plötzlich sehr ruhig und wirkt gelöst..
  • hat schon einmal versucht, sich das Leben zu nehmen.


Viele Menschen befürchten, dass sich eine Person erst recht etwas antut, wenn sie mit ihr über Suizid sprechen. Das stimmt nicht. Ein Gespräch ist wichtig und entlastet. Besonders zentral ist dabei, ohne Vorurteile zuzuhören. Stellen Sie Fragen und versuchen Sie, zu verstehen, was die Person gerade fühlt. 

Welche Fragen können Sie stellen?

  • Ist etwas Schlimmes passiert? 
  • Was hältst du nicht mehr aus und warum?
  • Wie ist es dazu gekommen?
  • Willst du mir das erzählen?        
  • Seit wann geht es dir so schlecht?

Holen Sie Unterstützung bei einer Fachperson, wenn Sie sich von einem Gespräch überfordert fühlen.


Beherzigen Sie im Gespräch folgende Punkte: 

  • Gehen Sie auf die Person zu.     
  • Nehmen Sie sich Zeit für das Gespräch.       
  • Hören Sie gut zu. Unterbrechen Sie die Person nicht.      
  • Bleiben Sie ruhig und haben Sie Respekt für die Person.       
  • Zeigen Sie, dass Sie die Person verstehen.       
  • Nehmen Sie die Person und ihre Gefühle ernst.      
  • Reden Sie offen und ehrlich über das Problem.       


Verzichten Sie im Gespräch auf folgende Punkte:   

  • Trösten Sie nicht sofort.        
  • Geben Sie keine Ratschläge und belehren Sie die Person nicht.     
  • Machen Sie das Problem nicht kleiner.     
  • Erklären Sie der Person nicht, welches Problem und welche Gefühle sie hat.        
  • Machen Sie nicht sofort etwas, um zu helfen.
  • Zwingen Sie die Person nicht, sofort etwas zu tun.


Die Person will das Gespräch ganz plötzlich beenden? Dann ist das ein Warnzeichen. Versuchen Sie, mit der Person weiter zu reden.

Sie befürchten, dass jemand in Ihrem Umfeld an Suizid denkt? Dann können Sie dieser Person helfen. Sprechen Sie die Person offen auf Ihre Beobachtungen an. Damit lösen Sie keinen Suizidversuch aus. Ein Gespräch kann die Person vielmehr entlasten und ihr gut tun.  

Besteht Lebensgefahr? Dann rufen Sie sofort den Notfall an.


Depressed elderly man, alone at home

Welche psychischen Erkrankungen gibt es?

Psychische Erkrankungen reichen von Angst- und Persönlichkeitsstörungen über Depressionen bis hin zu Suchterkrankungen. Erfahren Sie mehr über die verschiedenen Krankheitsbilder.

Psychische Erkrankungen