Warn­zeichen

Wichtig zu wissen: Warnzeichen

«Habe ich ein psychisches Problem?»

Sie kommen in eine psychische Krise oder Sie werden psychisch krank?

Dann können Sie das vorher schon merken.

Hier finden Sie einen Fragebogen. Sie beantworten mehrere Punkte mit «Ja»? Dann haben Sie vielleicht eine psychische Krise oder Krankheit. Am besten sprechen Sie dann mit Ihrem Hausarzt oder mit Ihrer Hausärztin.

Fragebogen für Betroffene

Fragebogen für Betroffene

  • Sind Ihre Gefühle in letzter Zeit heftiger geworden? Zum Beispiel: Sind Sie manchmal sehr traurig oder sehr fröhlich? Oder sind Sie manchmal sehr nervös, sehr ängstlich oder werden Sie schnell wütend?       
  • Wechseln Ihre Gefühle sehr schnell? Zum Beispiel: Sie sind sehr guter Laune, und kurze Zeit später werden Sie sehr traurig?        
  • Schlafen Sie schlecht und wenig? Und kommen Sie morgens fast nicht mehr aus dem Bett?   
  • Haben Sie in letzter Zeit oft keinen Appetit mehr?       
  • Wie ist es in der Schule, im Studium, in der Ausbildung oder im Beruf: Haben Sie weniger Lust zum Arbeiten oder Lernen? Können Sie nicht mehr so gut arbeiten? Sind Ihre Noten schlechter geworden?       
  • Treffen Sie Freunde oder Familie nicht mehr so oft? Haben Sie weniger Kontakt mit anderen Menschen?        
  • Sind Ihre Gedanken oft verwirrt?        
  • Haben Sie immer mehr das Gefühl, dass Sie anderen Menschen nicht trauen können?        
  • Haben Sie in letzter Zeit das Gefühl, dass andere Menschen Sie nicht verstehen? Haben Sie zum Beispiel Gedanken, die andere Menschen nicht verstehen?       
  • Denken Sie in letzter Zeit oft, dass andere Menschen etwas gegen Sie haben?
  • Haben Sie das Gefühl, dass andere Menschen über Sie reden oder über Sie lachen?        
  • Fühlen Sie sich nicht mehr wohl mit sich selbst? Denken Sie schlecht über sich selbst?       
  • Haben Sie Angst, dass Sie zu viel Alkohol oder Drogen konsumieren?

Fragebogen für Anghörige

«Braucht ein Mensch Hilfe?»

Eine Person in Ihrem Umfeld kommt in eine psychische Krise oder wird psychisch krank? Dann können Sie das vorher schon merken.

Hier finden Sie einen Fragebogen. Sie beantworten mehrere Punkte mit «Ja»? Dann kann das ein Warnsignal sein. Am besten sprechen Sie dann mit der Person und holen Hilfe.

Fragebogen für Angehörige

  • Hat die Person in letzter Zeit oft heftige Gefühle? Zum Beispiel: Ist sie manchmal sehr traurig oder sehr fröhlich? Oder ist sie manchmal sehr nervös, sehr ängstlich oder wird sie schnell wütend?        
  • Wechseln die Gefühle von der Person sehr schnell? Zum Beispiel: Sie ist sehr guter Laune, und kurze Zeit später wird sie sehr traurig?      
  • Schläft die Person schlecht und wenig? Und mag sie morgens nicht mehr aufstehen? ·       
  • Isst die Person in letzter Zeit weniger?        
  • Wie ist es in der Schule, im Studium, in der Ausbildung oder im Beruf: Hat die Person weniger Lust zum Arbeiten oder Lernen? Kann die Person nicht mehr so gut arbeiten? Sind die Noten schlechter geworden?    
  • Trifft die Person kaum noch Freunde oder Familie? Hat die Person weniger Kontakt mit anderen Menschen?       
  • Sind die Gedanken von der Person oft verwirrt?       
  • Vertraut die Person anderen Menschen nicht mehr?        
  • Hat die Person merkwürdige Ideen, die Sie nicht verstehen?        
  • Bezieht die Person alles auf sich? Fühlt sich die Person oft angegriffen? Hat die Person das Gefühl, dass andere Menschen über sie reden oder lachen?        
  • Redet die Person schlecht über sich selbst? Haben Sie den Eindruck, dass die Person zu viel Alkohol trinkt oder Drogen nimmt?

Was kann ich tun?

Reden Sie mit jemandem darüber

Reden Sie mit einer Person, zu der Sie Vertrauen haben. Vielleicht wissen Sie nicht, wie Sie das Gespräch anfangen sollen. Oder Sie trauen sich nicht, darüber zu sprechen.

Hier finden Sie praktische Tipps fürs Gespräch.

Holen Sie sich Hilfe

Hier finden Sie viele Angebote für Beratung und Therapie.

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Geschichten aus dem Leben

Carmen, betroffen von einer Suchterkrankung

Carmen Martinez, 64 Jahre, postnatale Depression und chronische Suchterkrankung

Angefangen hat es nach der Geburt meines zweiten Kindes. Ich hatte eine postnatale Depression, welche nicht erkannt und behandelt wurde. Zudem nahmen mir schwere Migräneanfälle jede Lebensfreude. Nachdem die rezeptfreien Medikamente nicht genügend Wirkung gezeigt hatten, ging ich zum Psychiater in der Hoffnung, dass dieser mir helfen kann. Er verschrieb mir Medikamente und hat damit unwissentlich meine beginnende Abhängigkeit unterstützt. Ich sagte mir immer wieder, wenn die Kinder gross sind, höre ich auf mit den Suchtmitteln. Ich tröstete mich damit, lieber süchtig als depressiv zu sein. Damals habe ich nicht gewusst, dass ich am Schluss beides bin. So hat diese Sucht immer mehr überhandgenommen. 

Jahrelang habe ich mich und mein Umfeld getäuscht und mich irgendwie durchgemogelt. Zwischendurch habe ich immer wieder versucht, die Medikamente zu reduzieren, wobei ich die Entzugserscheinungen mit Alkohol dämpfte. Zu diesem Zeitpunkt habe ich ganz langsam angefangen zu trinken und musste bald feststellen, dass ich mir eine zusätzliche Sucht zugelegt hatte. Ich war sehr verzweifelt und realisierte, dass ich weder mit noch ohne Medikamente und Alkohol existieren konnte.

Ich wollte eine gute Mutter sein und bedauerte es sehr, dass ich meinen Kindern keine Lebensfreude vermitteln konnte. Irgendwann kam ich zum Schluss, dass ich unbedingt Hilfe benötigte, da ich auch seelisch verkümmerte. So wollte und konnte ich nicht mehr weiterleben. Das ständige Auf und Ab schwächte mich enorm und der aussichtslose Kampf machte mich sehr einsam, da ich mit niemandem wirklich offen über meine Krankheit sprechen konnte.

Hilfe holte ich mir wegen der Kinder, nicht wegen mir. Ich ging zur Behandlung meiner Depression und der Migräne in die psychiatrische Klinik. Die Medikamentenabhängigkeit haben sie bei meinem ersten Aufenthalt trotz des Entzugs nicht sehr ernst genommen und haben mir zusätzliche Tabletten verschrieben. Ich hörte nie wirklich mit den Medikamenten auf.

Erst beim zweiten Anlauf in der Entzugsklinik habe ich realisiert, dass ich es für mich tun muss. Es war eine schwierige Zeit in der Klinik, da ich vor jeder Veränderung Angst hatte. Zudem war ich überzeugt, dass es meinen Kindern ohne mich besser gehen würde. Bei der Austrittsplanung in der Klinik habe ich die Adresse einer ambulanten Suchtfachstelle erhalten. Die persönliche Beratung durch eine kompetente und verständnisvolle Fachperson war sehr wertvoll für mich. Schon das Wissen, dass ich meine Probleme mit jemandem besprechen konnte, hat mir jeweils sehr geholfen. Ich habe gelernt, die Höhen und Tiefen des Lebens ohne Suchtmittel zu bewältigen. Mein Wiedereinstieg in den Beruf hat zusätzlich mein Selbstbewusstsein gestärkt.

Was ich in meiner Not vor allem auch gesucht habe, sind Menschen mit ähnlichen Erfahrungen, mit denen ich mich austauschen kann. Diese fand ich in den Selbsthilfegruppen, zuerst bei NA (Narcotics Anonymous) und später während Jahren bei AA (Anonyme Alkoholiker). Diese Gemeinschaft hat mir Halt gegeben und durch ihr Vorbild meine Genesung unterstützt.

Heute geht es mir gut, aber da meine Suchtkrankheit nicht wirklich geheilt werden kann, gehe ich nach wie vor noch sporadisch zu den Anonymen Alkoholikern, um mit ihnen meine Erfahrungen, Kraft und Hoffnung zu teilen.

Markus, betroffen von einer Depression

Markus Meier, 52 Jahre, Erschöpfungsdepression

Der Moment, da ich gemerkt habe, dass es nicht mehr so weitergeht, fühlte sich an, als ob ein Fass bersten würde. Ich weiss noch genau, welche Frage diesen Zusammenbruch ausgelöst hat. Meine Lebenspartnerin fragte mich am Samstagmorgen:  "Gehen wir nun noch einkaufen?" Da ging nichts mehr. Ich konnte nur noch weinen.

Rückblickend sehe ich viele Anzeichen, die mir sicher schon ein Jahr lang angezeigt hätten, dass ich Hilfe brauche, dass ich hinschauen muss. Zum Beispiel der Umstand, dass ich vermehrt Arbeit mit nach Hause getragen habe und nachts immer wieder mit Gedanken aufgewacht bin, die um die Arbeit kreisten.

An diesem Samstagmorgen war ich nicht in der Verfassung, mir selber Hilfe zu holen. Meine Partnerin hat für mich telefoniert. Eine Krisenintervention war die richtige Anlaufstelle für meine Situation. Dort erhielt meine Partnerin Unterstützung für ihre Fragen und ich "erste Hilfe" von einer kompetenten Fachperson zur Frage, was ich kurzfristig brauche, welchen Notfallplan ich habe, was ich zum Schlafen brauche usw.

Ich ging während einiger Zeit ein bis zwei Mal in der Woche ins Kriseninterventionszentrum. Diese Termine gaben mir einen Grund, mich anzuziehen und aus dem Haus zu gehen. Wichtig war auch, dass meine Bezugsperson mir die entscheidende Frage nicht abnahm: Was brauche ich? Stationäre oder ambulante Hilfe? Ich musste mir so weit möglich diese Frage selber beantworten und mir auch die entsprechende Behandlung organisieren. Unterstützung erhielt ich in der Frage: Wie gehe ich vor, wenn ich Hilfe brauche? Wie suche ich mir einen Therapeuten?

In einem zweiten Schritt hat die ambulante Therapie geholfen, die bis heute andauert: Es war mir eine Insel! Ich habe mir für mich selber Zeit genommen und habe das als sehr wertvoll erlebt. Ich habe eine Verletzung, um die ich keinen Gips machen lassen kann. Es braucht Zeit und es braucht mich für die Heilung.

Ich bin ein anderer geworden. Meine Arbeitskollegin meinte kürzlich: "Du bist klarer, abgegrenzter. Das ist entlastend für unsere Zusammenarbeit.“

Ein Glück für mich war sicher auch, dass mein Arbeitsumfeld sehr viel Verständnis gezeigt hat. Sie gaben mir Raum und Rückendeckung und trotzdem das Interesse an mir als Person. Tipps, die für alle passen würden, gibt es keine. Was ich einer Person mitgeben würde, die in einer ähnlichen Situation ist: sich frühzeitig Hilfe holen. Ich weiss aber gleichzeitig auch, dass dies genau das Schwierigste ist. In einem Moment, da dein Handeln sich einengt, dir die Energien fehlen, genau in diesem Moment noch einen solchen Kraftakt zu vollbringen! 

Anne, betroffen von Bulimie

Anne Flückiger, 28 Jahre, Bulimie 

Dass sich vieles nur um mein Gewicht dreht, habe ich früh realisiert, irgendwann in der Oberstufe. Auslöser war, dass ich seit Schulbeginn Aussenseiterin war. Ich wurde gehänselt und hatte keine Freunde. Die Pausen verbrachte ich auf der Mädchentoilette, um nicht runtergemacht zu werden. Meinen Eltern habe ich nichts mehr erzählt, sie konnten mir nicht helfen. In der für mich aussichtslosen Situation versuchte ich, möglichst dünn zu sein.

Ich bildete mir ein, wenn ich dünner wäre, wäre ich glücklicher. Ich begann zu erbrechen und habe das vor allen versteckt gehalten. Zu dieser Zeit habe ich immer sehr weite Kleider getragen. Es ging mir sehr schlecht, ich wollte nicht leben. Mich dünn zu fühlen, war mein einziges Erfolgserlebnis und wenn ich mich dick fühlte, wollte ich sterben. Das Erbrechen hat mir geholfen, meine Anspannungen zu regulieren. Das ging 4 bis 5 Jahre so.

Als meine Mutter mich ertappte, hat sie mir eine Selbsthilfegruppe organisiert. Das war aber keine Hilfe, es kam zur falschen Zeit. Ich habe dann versucht, mir selber zu helfen. Habe viel im Internet, in Büchern und Blogs von Betroffenen gelesen, wo ich teilweise Erklärungen und Tipps fand. Ich habe meine Situation immer wieder anhand des Gelesenen analysiert, und mein Leben bis zum jetzigen Zeitpunkt konsequent danach ausgerichtet, dass mein Umfeld und die Lebenssituation der Heilung helfen.

Nach der obligatorischen Schulzeit entschied ich, vor allem Distanz zu den destruktiven Erfahrungen meiner Jugend zu schaffen: Ich habe ein Jahr in der Landwirtschaft in der Westschweiz gearbeitet. Die körperliche Arbeit und die andere Mentalität haben mir gut getan. Später auf dem Gymnasium dann habe ich Kolleginnen gefunden, ihnen habe ich von der Bulimie und den Depressionen erzählt. Das ist für mich etwas vom Wichtigsten: Wenn ich mich anvertraue, erhalte ich Verständnis. Es ermöglicht mir, authentisch zu sein und mich mit meinen Fehlern geliebt zu fühlen. Weiter zeige ich den Freundinnen, dass ich Vertrauen in sie habe.

Ich bin immer wieder in tiefe Löcher gefallen und wollte nicht mehr weiterleben. Einmal war ich auch drei Monate in einer Klinik für Essstörungen. Es hat mir aber wenig geholfen. Was ich mir gewünscht hätte, ist eine Person, die mir jeden Tag hilft, meine selbst gesteckten Ziele zu überprüfen und die nachfragt, wie es mir geht.

Nun habe ich eine Therapeutin gefunden, die mir genau damit geholfen hat. Das System für die tägliche Überprüfung der Ziele durch die Therapeutin habe ich selber erarbeitet und vorgeschlagen. Die Therapeutin hilft mir bei der Selbsteinschätzung der Fortschritte und gibt Tipps, da sie den Vergleich zu anderen Patienten hat. Ich glaube, es ist entscheidend, dass ich mich bei meiner Therapeutin sehr wohl fühle und ihr alles erzählen kann, was mich beschäftigt, ohne Scham. Sonst würde es sich lohnen, eine passendere Person zu suchen. Für mich ist es wichtig, mich selber zu verstehen, auf meinen Körper zu hören, diesen ernst zu nehmen in seinen Signalen.

Nach rund 15 Jahren Bulimie (zuletzt 3 bis 5 Essanfälle an einem Tag) erbreche ich nun seit einiger Zeit nicht mehr, wobei die ersten Wochen sehr viel Durchhaltungsvermögen brauchten und äusserst anstrengend waren. Nun ist mein Leben aber viel entspannter.

Mirco, betroffen von Panikattacken

Lebensgeschichte Mirco Allemann, 43, Panikattacken

Meine erste Panikattacke hatte ich 1990 während eines Familienfestes. Ich hatte plötzlich einen rasenden Puls und Schweissausbrüche. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen und wusste, dass etwas überhaupt nicht mehr in Ordnung war. Ich bekam kaum noch Luft und nahm alles irgendwie seltsam verändert wahr. Ich bekam Todesangst.

Ich wusste damals noch nicht, dass es eine Panikattacke war. Mein Zustand nahm immer bedrohlichere Formen an. Mir war klar, dass ich so schnell wie möglich zu einem Arzt musste. Meine Eltern brachten mich in den Notfall. Nach dem Check war für den Arzt klar: Es fehlte mir nichts. Alles sei in bester Ordnung. Das war für mich komplett unverständlich, es ging mir ja wirklich miserabel. Ich hatte immer noch grosse Angst zu sterben. Der Arzt belächelte mich nur und machte ein paar unpassende Sprüche. Nach kurzer Zeit fühlte ich mich aber glücklicherweise besser, und ich konnte wieder nach Hause.

Das ganze wiederholte sich in den folgenden Wochen noch zweimal. Das war mir sehr peinlich. Ich hatte jedes Mal das Gefühl, ich werde gleich sterben, und die Ärzte konnten rein gar nichts feststellen. Aus Scham verschwieg ich schliesslich meine Angst. Ich bekam Medikamente gegen das Herzrasen, gegen Allergien, gegen das Zittern, gegen Magenschmerzen. Die Behandlung der körperlichen Symptome stand im Vordergrund.

Nach einigen Jahren gab ich auf. Ich wollte von Ärzten nichts mehr wissen. Es konnte mir sowieso niemand helfen. Nach etwa 10 Jahren kamen depressive Tendenzen zum Störungsbild. Erst jetzt stellte ein Arzt dann endlich die richtige Diagnose: Angststörung. Danach ging es mir dank verhaltenstherapeutischen Massnahmen und den richtigen Medikamenten schnell besser. Es war für mich zudem wichtig, mit anderen Menschen sprechen zu können, die auch an einer Form der Angststörung litten. Ich wollte erfahren, wie sie gelernt hatten, mit der Angst umzugehen.

Heute geht es mir weitestgehend gut. Ich habe gelernt, dass die Angst ein Teil von mir ist. Ich kann nicht behaupten, dass ich vollständig von der Angststörung geheilt bin. Ich habe in der Therapie aber das Rüstzeug erhalten, mit welchem ich die Angst selbst angehen kann. Die Angst hat ihren Schrecken verloren. Ich weiss, was ich dagegen tun kann.

Ich finde es äusserst wichtig, dass Menschen in psychischen Krisen rasche und professionelle Hilfe erhalten. Ein qualifizierter Psychiater erkennt den Charakter und den Grad einer psychischen Störung anhand weniger Tests in der Regel sehr treffsicher. Zuwarten und zögern kann dazu führen, dass sich weitere Störungen einstellen und dass die Therapie komplexer und langwieriger werden kann. Ebenso wichtig wie ein qualifizierter Facharzt, der den Betroffenen die richtige Behandlung zuführt, sind die aktive Mitarbeit des Betroffenen in der Therapie und eine gewisse Offenheit gegenüber den Behandlungsmethoden.

Im Weiteren kann es sehr hilfreich sein, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen, um wirksame Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Für viele Störungsbilder gibt es heute spezifische Selbsthilfeorganisationen oder -gruppen. 

Manuela, betroffen von einer schizoaffektive Störung

Manuela Bodet, 42 Jahre, schizoaffektive Störung 

Es begann mit dem Tod eines Mannes, mit dem ich für kurze Zeit intensiv verbunden war. Er war an Krebs erkrankt, doch ich wollte das nicht wahrhaben. Ich hatte Mühe, richtig zu trauern, wurde schwer depressiv und versuchte, mich mit „Kiffen“ selber zu therapieren. Schliesslich steigerte ich mich in die Vorstellung hinein, dass er nicht eines natürlichen Todes gestorben war. Ich glaubte einerseits an diese Vorstellung und merkte andererseits doch, dass mit mir etwas nicht stimmen konnte. Danach entwickelte ich eine Manie, hatte einen unglaublichen Schaffensdrang, machte Musik, war voller Energie. Scheinbar ging es mir blendend.

Doch ab und zu gab es klare Momente. Ich schaute auf mein Leben: Ich war sehr stark abgemagert, war fast immer bekifft, konnte kaum noch schlafen. Ein Allgemeinpraktiker verschrieb mir leider die falschen Medikamente. Ich kann Menschen in schweren Krisen nur raten, sich direkt an ein Kriseninterventionszentrum zu wenden, damit sie von Anfang an von Profis behandelt werden. Schliesslich wurde ich eines Abends von einer Passantin aufgegriffen. Ich kauerte am Boden und stand unglaubliche Ängste aus. Ich wurde in eine Klinik eingewiesen.

Nicht alles am Klinikaufenthalt war gut, aber ich weiss nicht, ob ich ohne diesen Aufenthalt noch am Leben wäre. Wichtig für meine Genesung waren Menschen, die mir Hoffnung vermittelten. Mein Partner stand zu mir und ging mit mir gemeinsam durch die Krise. Ich werde nie vergessen, wie eine Therapeutin zu sagte, man könne auch nach schweren psychischen Erschütterungen wieder ganz gesund werden. Zu meiner Psychiaterin habe ich seit 13 Jahren viel Vertrauen.

Es war am Anfang ganz wichtig, die nötigen Medikamente regelmässig einzunehmen. Denn als ich die Medikamente nach der ersten Psychose abrupt absetzte, musste ich erneut hospitalisiert werden. Im Verlauf der Zeit konnte ich die Dosis ganz langsam reduzieren. Denn auch eine geringe Erhaltensdosis kann bereits Schutz geben, vorausgesetzt, die Therapie wird engmaschig von einem Profi begleitet und der Betroffene ist bereit, einen gesunden Lebenswandel zu führen und auf eine gute Balance zwischen Aktivitäten und Ruhezeiten zu achten. Nun komme ich seit drei Jahren ohne Antipsychotika aus, was mich sehr glücklich macht.

Heute weiss ich, was mir gut tut. Ich liebe die Natur und Begegnungen mit lieben Menschen. Die Spiritualität gibt mir Halt und Hoffnung. Ich habe gelernt, Nein zu sagen, ohne Angst haben zu müssen, nicht mehr geliebt zu werden. Ich kann auch einmal den nächsten Tag abwarten, wenn es mir nicht gut geht. Während der Ausbildung zur Kunsttherapeutin und des EX-IN-Studiengangs habe ich mich intensiv mit Recovery auseinandergesetzt und arbeite nun als Genesungsbegleiterin. Es erfüllt mich, dass ich anderen Menschen mit meinen Erfahrungen helfen kann. Meine Leidenschaft ist nach wie vor die Musik. Es macht mich glücklich, wenn ich bei Auftritten mit meiner Band die Herzen der Menschen mit meinen hoffnungsvollen, aber auch sozialkritischen Texten berühren kann.

"Ganz normal anders – Alles über psychische Krankheiten, Behandlungsmöglichkeiten und Hilfsangebote"; Thomas Ihde-Scholl, Beobachter edition, 2014; u. a. mit Beschreibungen von typischen Symptomen, die es Ihnen erlauben, Ihre Lage besser einzuordnen.

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