Angehörige helfen Angehörigen

01. Januar 2022

Wer selbst erlebt hat, dass ein Familienmitglied an einer psychischen Krankheit leidet, kann andere in derselben Situation besser verstehen. Deshalb bietet die Vereinigung Angehöriger psychisch Kranker VASK ein einzigartiges Auskunfts- und Beratungstelefon auf Deutsch und Französisch an. Die Menschen, die das Telefon bedienen, sind selber Angehörige. Géraldine S.* und Luzia A.* sind zwei davon. Die beiden Mütter von erwachsenen Söhnen, die an Schizophrenie leiden, geben Auskunft.

Welche Anrufe haben Sie in letzter Zeit entgegengenommen?

Luzia  A.: Da war zum Beispiel der Anruf der Schwester einer Betroffenen, die immer noch bei ihrer Mutter lebt. Die Mutter leidet enorm. Sie will aber weder Hilfe annehmen noch ihre Tochter zum Beispiel in einer Wohngemeinschaft unterbringen.

Géraldine S.: Bei mir meldete sich jemand, der von einem Psychiater dazu ermutigt worden war. Das freute mich, denn wir sehen uns als Ergänzung zu professioneller Hilfe.

Was reagieren Sie auf diese Anfragen?

Géraldine S.: Wir hören zu, aber wir sind keine professionellen Beraterinnen.

Luzia  A. : Wir beruhigen und versuchen darzulegen, dass es auch wieder aufwärts gehen wird. Wir vermitteln Kontakte zu unserer Selbsthilfegruppe. Manchmal braucht es Zeit, bis jemand bereit ist, über seine Sorgen zu reden. Aber wenn sie so weit sind, können die Menschen Kontakt mit uns aufnehmen.

Worunter leiden Angehörige am meisten?

Géraldine S.: Die Situation scheint manchmal ausweglos. Es gibt keine Entwicklung. Betroffene Menschen fallen oft schon nach der Berufsausbildung völlig aus der Bahn. Für Eltern ist es schwer, das zu akzeptieren.

Was hilft Angehörigen, um mit ihrer Situation zurechtzukommen?

Luzia  A. : Ich selber ging in eine Therapie, denn ich kam an einen Punkt, wo der erste und letzte Gedanke die Probleme meines Sohnes waren. Bei meiner Tochter und beim Partner funktionierte alles gut, doch ich nahm sie kaum mehr war. Ich musste mir sagen: „Hallo, ich habe auch eine Verantwortung ihnen gegenüber. Sie stützen mich.“

Géraldine S.: Es hilft den Angehörigen, rauszukommen, etwas zu tun, was ihnen Freude macht. Ich las viele Bücher und besuchte Kurse zum Thema.

Wie hat sich Ihr Leben verändert, seit Sie mit der Diagnose Ihrer Söhne konfrontierte sind?

Luzia  A.: Nichts ist mehr, wie es vorher war. Mit achtzehn hatte mein Sohn erste Psychosen. Ich merkte, dass etwas nicht stimmt, aber ich verstand nicht genau, was los war. Er war in der Pubertät und in der Phase der Berufswahl, was ja für viele Jugendliche eine schwierige Zeit ist. Es brauchte Zeit, bis ich der Tatsache ins Gesicht schauen konnte, dass es mehr war als das.

Gab es einen bestimmten Moment, in dem sie das merkten?

Luzia  A.: Als mein Sohn zum zweiten Mal die Schule abbrach, und ich ihm gegenüber meine Sorgen ausdrückte, wurde er sehr aggressiv. Da merkte ich, dass etwas wirklich nicht mehr stimmt.  

*Namen von der Redaktion geändert

zurück zur Übersicht

Psychiatrischer Notfall

Wir antworten Ihnen

Die Beantwortung Ihrer Frage kann 3 Arbeitstage überschreiten. Wir können nur Fragen zu den Angeboten beantworten. Auf Notfälle können wir nicht reagieren. Bei Notfällen wenden Sie sich direkt an die Notfallnummern unten.